Ferdinand Tönnies – Soziologe und Ethiker

Ferdinand Tönies - Buch von Alexander Wierzock
Ferdinand Tönnies Buch von Alexander Wierzock
Alexander Wierzock, „Ferdinand Tönnies (1855 – 1936) – Soziologe und Ethiker“, (94 Seiten), Königshausen & Neumann, 2022. Es ist Teil der Reihe „Humanistische Porträts“ der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg.

Ferdinand Tönnies war nicht nur Vater der Soziologie, er engagierte sich auch als Ethiker. Als Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur (DGEK) trat er für eine unabhängige Moral ein, die jenseits kirchlicher Dogmen zu gutem Handeln führt. Doch diese Geschichte des in Oldenswort geborenen und in Husum aufgewachsenen Tönnies ist weitgehend vergessen.

Tönnies als Sozialethiker und Humanist

Kulturhistoriker Alexander Wierzock zeichnet ein Bild von Tönnies, das ihn in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Zeit als Ethiker porträtiert. Schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche freigeistige Strömungen, die für undogmatische Menschlichkeit, Bildung, Frauen- und Kinderrechte einstanden. Solche Bewegungen wandten sich unter anderem gegen das von den Kirchen vereinnahmte soziale Engagement, das Hilfsbedürftige und Helfer zum Zweck der Missionsarbeit instrumentalisierte. (Die Kirchen tun das mitunter noch heute z.B. über das kirchliche Arbeitsrecht.)

„Deed before Creed“ [Handeln kommt vor dem Glauben] lautete beispielsweise das Kredo von Felix Adler, der 1877 als deutscher Rabbinersohn in New York jene ethische Bewegung ins Leben rief, die Ferdinand Tönnies dazu bewog, deren deutschen Ableger mit zu gründen. So entstand am 19. Oktober 1892 die Deutsche Gesellschaft für ethische Kultur (DGEK).

Ein zwiespältiges Verhältnis von langer Dauer

Fortan trat Tönnies jedoch in ein vielschichtiges Verhältnis zur DGEK. Dem anfänglichen Enthusiasmus folgte schnell Enttäuschung über die mangelnde Tatkraft der DGEK. Tönnies sah im Schaffen annehmbarer sozialer Wohn- und Lebensverhältnisse eine Voraussetzung für ethisches Verhalten. Damit stand er in Opposition zu Kräften, die bei der Bildung des Individuums ansetzen wollten, um eine ethisch handelnde Gesellschaft hervorzubringen.

Zwar trat Tönnies schon früh wieder von seinem Vorstandsposten in der DGEK zurück, blieb der Bewegung aber bis zu seinem Lebensende treu. So engagierte sich Tönnies auch international. An dem von Felix Adler mitbegründetem „First Universal Races Congress“ 1911 in London, welcher der Völkerverständigung und dem Anti-Rassismus dienen sollte, nahm Tönnies unter 2.000 Teilnehmern als deutscher Vertreter der DGEK teil. Bis zu seinem Tod verfasste er über 50 Beiträge in der Zeitschrift für Ethische Kultur und stand in Kontakt mit Philosophen, Publizisten, Frauenrechtlerinnen und engagierten Persönlichkeiten seiner Zeit.

Alexander Wierzock zeichnet dies und anderes gründlich mit Zitaten aus Briefen und aus Veröffentlichungen von Tönnies und seinen Zeitgenossen nach. Wierzocks Buch ist deshalb wichtig, weil es uns Tönnies als Ethiker greifbar macht und einen Zugang zur Geschichte offenlegt, in dem Zeit-, Obrigkeits- und Kirchenkritik wesentliche Impulse für jene freiere Gesellschaft geliefert haben, in der wir heute noch leben.

Für das menschliche Handeln aus einer ethisch begründeten sozialen Verantwortung heraus liefert das Buch von Alexander Wierzock wichtige Impulse.

Alexander Wierzock - Ferdinand Tönnies
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Details zum Buch

2022 ist das Buch „Ferdinand Tönnies, Soziologe und Ethiker“ des Kulturwissenschaftlers Alexander Wierzock im Verlag Königshausen & Neumann erschienen. Das 94 Seiten starke Werk ist Teil der Reihe „Humanistische Porträts“ der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg.

Über Alexander Wierzock

Alexander Wierzock ist unter anderem assozierter externer Forscher der Ferdinand-Tönnies-Forschungsstelle am Institut für Sozialwissenschaften im Fachbereich Politikwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Außerdem ist er Stellvertrender Sektionssprecher der Sektion Soziologiegeschichte bei der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.

(c) Texte und Fotos: Jan-Christian Petersen.

Fußnote: Der Abdruck von Fotos des Covers und aus dem Inhalt erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.